Bine60, 16. Juli 2017, um 22:25
Streitet euch!
Wir müssen dringend wieder streiten. Denn ohne Konflikte gehen unsere Beziehungen kaputt, unsere Identität – und am Ende unsere Demokratie.
Von Karsten Polke-Majewski
Anschreien geht immer. Möglichst so laut, dass der Gegner nach Luft schnappt.
Kinder können das in Perfektion, viele Talkshow-Politiker ebenfalls und mancher Chef.
Dann abhauen, wer’s theatralisch mag mit Türenknallen.
Schließlich haben wir Angst vor dem Streiten.
Als richtig gilt, Streit zu vermeiden.
Und so merken wir gar nicht, wie gerade eine unserer wichtigsten Kulturtechniken flöten geht.
Was für ein Quatsch, wird nicht ständig gestritten? Laut geht es fast immer zu. Doch das beweist lediglich, dass uns die Rüpel noch nicht ausgegangen sind. Auf echten Streit lässt sich dagegen kaum mehr jemand ein. Und das schadet unseren Beziehungen; zum Partner, zum Nachbarn, zum Kollegen. Am Ende leidet sogar die Demokratie.
Denn wer nicht streitet, will nichts vom Leben. Und wer ständig Toleranz und Sachlichkeit fordert, ist in Wahrheit bloß zu faul zum Denken und vergisst, dass Toleranz oft erst aus Streit entstehen kann. Deshalb wird es Zeit, Schluss zu machen mit dem ausgleichenden Selbstbetrug. Streiten ist erlaubt. Fasst Mut und tut es endlich wieder!
Um es gleich klarzustellen, alles Folgende ist kein echter Streit: bloßes Moralisieren, weil es unzugänglich ist für andere Argumente; zynisches Daherreden oder der bloße Austausch von Beleidigungen, weil sich beides respektlos über das Gegenüber erhebt; auch die Lust daran, den anderen zu entmenschlichen; schließlich inhaltsleerer Kampf um Sieg oder Niederlage, im schlimmsten Fall mit dem Ziel, den Gegner zu vernichten.
Streiten ist schwierig geworden
Gute Streiter interessieren sich für ihre Gegner und nehmen sie ernst. Sie wollen ihre Wünsche und Weltverbesserungsideen in der Auseinandersetzung entfalten, Sinn suchen und stiften, Zukunft gestalten.
Das ist nicht einfach. Schließlich leben wir in der freiesten Gesellschaft, die Deutschland jemals kannte. Alles ist erlaubt, alles darf gesagt werden. In einer Welt, in der es keine großen Verbote und Tabus mehr gibt, scheint nichts mehr übrig zu sein, über das man sich noch auseinandersetzen müsste.
Zweitens steckt uns noch das vergangene Jahrhundert der Propaganda in den Knochen: Jede Überzeugung, mit dem kleinsten Anschein von Selbstherrlichkeit vorgetragen, ist uns verdächtig. Jedes mit dem feinsten Hauch polemischer Verve versehene Argument desavouiert sich selbst.
Zum Dritten hat die Freiheit eine dunkle Kehrseite: Der Einzelne ist auf sich selbst zurückgeworfen, er muss das eigene Schicksal selbstbestimmt meistern. Jede Position, die wir in einem Streit vertreten, müssen wir aus uns selbst heraus begründen. Das trauen wir uns oft nicht – und ducken uns lieber weg.
Wenn wir uns aber dazu durchringen, eine Meinung zu vertreten, können wir oft nicht erkennen, wer Verbündeter und wer Gegner ist. Der schöne Spruch von Rosa Luxemburg , man möge als eigene Freiheit immer die des Andersdenkenden erkennen, wird zum Problem, wenn wirklich jeder andere immer wieder anders denkt: Karrieremänner, die für die Frauenquote werben; Einwanderungsbefürworter, die die europäische Einigung fürchten; Vegetarier, die Auslandseinsätze der Bundeswehr verteidigen; Fußballfans, die Opern lieben; Kuscheleltern, die auf beinharte Lehrer stehen.
Die Fronten sind verwischt, der vermeintlich Gleichgesinnte an meiner Seite kann mir schon Augenblicke später in den Rücken fallen. Weil wir das nicht riskieren wollen, lassen wir das Streiten lieber sein und akzeptieren unvereinbare Meinungen als mögliche Wahrheiten.
Doch wenn wir nicht mehr streiten, gefährden wir die Grundlagen unseres Zusammenlebens. Denn ohne Streit, sagte Ralf Dahrendorf , gibt es keinen Fortschritt. Nur wenn wir unsere Argumente aneinander schärfen, können sich Freiheit und Demokratie weiterentwickeln.
Warum streiten?
Was also braucht ein guter Streit? Kritische Geister, die die Verhältnisse, in denen wir leben, nicht als fertig akzeptieren. Darüber hinaus eine Idee, die weiter reicht als der persönliche Nutzen des Streiters. Respekt für den Gegner und den Mut, starke Gefühle auszusprechen. Auch Spott und Polemik, weil sie uns dazu herausfordern, unsere Rede zu präzisieren.
Solcherart Streit deckt Fehler und Unvollkommenheiten auf. Zugleich zeigt er den Streitenden, was richtig bleibt, welche Möglichkeiten sich eröffnen und welche Ziele es sich anzustreben lohnt. Er festigt Beziehungen und schafft Identität.
Nicht immer aber löst sich Streit in Verständnis auf. Manchmal müssen Streiter auch anerkennen, dass ihre Ideale nicht zu versöhnen sind. Trotzdem kann dieser Streit produktiv sein, wenn die Streiter lernen, die Haltung des anderen zu akzeptieren, selbst wenn sie sie falsch finden. Das wäre dann echte Toleranz.
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vielleicht kann ja jemand von euch damit etwas für sich anfangen.^^
lg Bine
Ex-Stubenhocker #163552, 16. Juli 2017, um 22:31
bine, komm mal ins unperfekthaus in essen.
zigarre, 16. Juli 2017, um 22:44
schade, kann mal wieder nich mitreden, beiträge die länger als der leitartikel der welt am sonntg sind kann ich intellektuell nicht verarbeiten.
Bine60, 16. Juli 2017, um 22:45
ich bin überzeugt davon, dass du einfach nur zu faul bist zum lesen.^^
Ex-Stubenhocker #163552, 16. Juli 2017, um 22:45
mit neugier und idee.
koffer auf rollen durch
hallen ziehen.
ein schild hochhalten.
"dagegen"
klangschale auf
rücken.
vor allem:
salzluft tut gut!
zigarre, 16. Juli 2017, um 23:04
zuletzt bearbeitet am 16. Juli 2017, um 23:05
och bine, vielleicht ein bischen phlegmatisch, apathisch oder lethargisch, aber doch niemals faul
hab ich grad bei wiki abgeschrieben
Kartenvernichter, 17. Juli 2017, um 06:17
Bine60, 17. Juli 2017, um 23:49
zuletzt bearbeitet am 17. Juli 2017, um 23:50
ich habe gerade sehr gemischte gefühle.
hatte ich doch auf rege antwort auf meinen thread gehofft.
niemand der beteiligten der "STRETDISSKUSSIONEN" politik betreffend äußert sich.
kann es sein, dass ihr nicht in der lage seid, WIRKLICH zu streiten?
unser gitarrenj0hnny wiederholt in seinem post, was ich hier zitiert habe.
"der Einzelne ist auf sich selbst zurückgeworfen, er muss das eigene Schicksal selbstbestimmt meistern. Jede Position, die wir in einem Streit vertreten, müssen wir aus uns selbst heraus begründen. Das trauen wir uns oft nicht – und ducken uns lieber weg."
schmeißt doch bitte mal euer ego über bord.
und dann überlegt,
was euch WIRKLICH wichtig ist.
warum hat hier jeder so eine RIESENANGST ehrlich über seine GEFÜHLE zu schreiben?
WENN derjenige was verändern möchte, geht das NUR MIT gefühl.
ansonsten bleiben wir seelenlose luftblasen.
Bine60, 18. Juli 2017, um 00:27
hier im forum macht sich jeder "nackich" der ehrlich von sich und seinen gefühlen schreibt.
und jeder, der dies eigentlich gerne täte hat angst davor, verletzt zu werden.
warum?
ich bin ich.
du bist du.
anonymität ist dein schutz.
wovor fürchtest du dich?
solange es diese furcht vor "blamage" hier gibt, gibt es keine ehrlichkeit.
also: alles nur gedöns.
von allen hier,
fangt an, oder lasst es bleiben.
Ex-Stubenhocker #144760, 18. Juli 2017, um 08:20
Ja,die muss total verzweifelt sein die Ärmste
Ex-Stubenhocker #214662, 18. Juli 2017, um 08:24
Lasst sie doch. Was Streit betrifft,nur ungern! Das kann schon einige Nerven kosten und ist auf Dauer nicht zu empfehlen! Hin und wieder ne Meinungsverschiedenheit,das ist nicht so selten,aber vieles lässt sich schnell lösen,vielleicht weniger Im Netz,aber viel mehr real.
Bernadette, 18. Juli 2017, um 08:32
Guten Morgen Bine,
da ich zu denjenigen gehöre, die sich zu politischen Themen äußern, möchte ich Deinem Wunsch entsprechen und Dir ein paar Worte entgegnen.
Zuerst stoße ich mich an dem Wort "Streit", dieses Wort beinhaltet Aggressivität und diese ist für mich in einer Auseinandersetzung fehl am Platze.
Wenn ich mich zu den "politischen Gegnern" von John, Watcher und Gaga zähle, dann kann ich für meine Auseinandersetzungen mit diesen 3 Herren folgendes Fazit ziehen:
Johns Beiträge lese ich aufmerksam und ermüde selbst aufgrund der Länge dieser nicht.^^ Lese ich in seinen Beiträgen widersprüchliches in sich selbst oder zu meiner eigenen Haltung, teile ich ihm das mit. Entsteht daraus eine Diskussion, führe ich sie mit ihm. Dabei versuche ich, seine Ansichten zu verstehen, zu hinterfragen und ihm die meinigen näher zu bringen. Möglichst sachlich. Ich mag es nicht, wenn er mir auf der emotionalen Schiene antwortet, er wäre "enttäuscht" über mein Geschreibsel. Emotionale "Erpressung" finde ich in einer Auseinandersetzung in diesem Forum unangebracht.
Wenn ich Watcher einen link einstelle, der nachweislich Nazis in Aktion zeigt und antwortet, ihm wäre es egal, wie Gruppen sich untereinander begrüßen, in diesem Fall mit dem verbotenen Hitlergruß, dann erübrigt sich eine weitere Diskussion. Wir haben somit nicht einmal den kleinsten gemeinsamen Nenner. Sein Bewusstsein für all die schrecklichen Geschehnisse der NS Zeit ist gleich null.
Das ist zum Heulen und erschreckend zugleich.
Gaga grätscht aus dem Off in Threads und bepöbelt die Leute. Hinterher rechtfertigt er das mit "die anderen haben mir das beigebracht", um sich selbst beim nächsten Auftritt als eloquenter und gesprächsbereiter Diskussionsteilnehmer zu beschreiben. Sorry, da steckt mir einfach zu viel (um es mal ganz hart auszudrücken) "Schizophrenie" hinter.
Soweit der Einblick in meine "Emotionen" beim Lesen und Schreiben in diesem Forum.
In diesem Sinne:
Einen sonnigen Dienstag.
Bine60, 18. Juli 2017, um 09:06
zuletzt bearbeitet am 18. Juli 2017, um 09:07
gumo liebe bernadette,
mich stört der begriff "streit" nicht.
es ist doch so, dass wir eben das richtige streiten kaum beherrschen.
wenn es um agression beim streit ginge,
gäbe bestimmt auch nicht das wort "streitkultur".^^
lg