Unterhaltung: Endlich: Urteil gegen Alan Turing aufgehoben

mmaker, 24. Dezember 2013, um 16:36
zuletzt bearbeitet am 24. Dezember 2013, um 16:55

Hallo,

einige werden sich (und wenn auch nur aus dem Thread "Wer bin ich?") vielleicht erinnern, dass ein grosser Fan von Alan Turing, Förderer des Museums in Bletchley Park bin und jahrelang aktiv in der Kampagne für die Rehabilitierung von Turing mitgearbeitet habe.

Deshalb möchte ich gern mit Freude mitteilen, dass gestern ein wunderbarer Tag war: nachdem sich die Britische Regierung bereits 2002 bei Turing für die Ungerechtigkeiten entschuldigt hatte, ist am 23.12.2013 - fast 60 Jahre nach seinem Tod - nun auch formal das Urteil gegen ihn für ungültig erklärt worden.

Für die, die Turing nicht kennen: Alan Turing war ein Britischer Mathematiker, der als einer der wichtigsten "Väter" des Computers gilt. Darüber hinaus ist er eine wichtige Figur in der theoretischen Informatik. Seine Arbeiten während des zweiten Weltkriegs (Entschlüsselung des Deutschen Enigma-Codes der U-Boot-Flotte) haben nach Meinung vieler Experten zu einer wesentlichen Verkürzung des zweiten Weltkriegs geführt und mit Sicherheit das Leben vieler Britischer und Amerikanischer Schiffsbesatzungen gerettet.

Heute begegnet man dem Namen Turing in der Logik und Informatik des öfteren (Turing-Maschine, Turing-Test,...) aber auch der wichtigste Wissenschaftspreis der Informatik, dessen Bedeutung einem Nobelpreis entspricht, ist nach ihm benannt.

Turing war homosexuell und wurde 1952 deshalb nach damaligem Recht verurteilt. Ihm wurde statt eines Gefängnisaufenthalts eine "Therapie" angeboten. Diese bestand darin, ihn mit ungetesteten und gefährlichen Hormonpräperaten zu kastrieren - die Nebenwirkungen haben seinen Körper schwer beschädigt. Turing hat sich 2 Jahre nach Beginn dieser "Therapie" im Alter von nur 41 Jahren das Leben genommen.

RIP, Allen, vielleicht kannst Du jetzt noch ein kleinwenig friedlicher schlafen :)

ps: Falls jemand noch mehr wissen möchte hier der Artikel der NY Times von heute:

http://www.nytimes.com/2013/12/24/world/europe/alan-turing-enigma-code-breaker-and-computer-pioneer-wins-royal-pardon.html?_r=2&

sowie die Homepage des Museums Bletchley Park:
http://www.bletchleypark.org/

ps2: Natürlich ist dies alles eine gute Nachricht aber auch erst der Anfang. Nun muss es das Ziel sein, die Britische Justiz endlich auch zur Aufhebung der Urteile gegen weniger prominente Opfer zu drängen.

ps3: Ich möchte noch die Worte von George Takei (Sulu aus Star Trek TOS), die er gerade zu diesem Thema auf Facebook gepostet hat, zitieren:

"A bit of well-deserved solace for this soul. How much more he could have given to a world that was more ready to accept and embrace him."

Gallieratze, 25. Dezember 2013, um 07:39

Ich bin in Dresden geboren und mein Interesse am Schicksal von Briten, die maßgeblichen Anteil am Verlauf des 2. Weltkriegs hatten, hält sich deshalb in engen Grenzen.....

Die ewigen Mahner, die gebetsmühlenartig erklären, daß die Kriegsverbrechen unserer Befreier nur Resultat vorhergehendem deutschen Handelns gewesen seien, können in den Startblöcken bleiben :
Ich bin mir dessen bewußt.

Wer aber den deutschen Weltkriegssoldaten per sé zum Kriegsverbrecher erklärt, sollte sich auch bereit finden, entmenschte Taten der anderen Seite klar zu benennen.

Hier ging es um Rehabilitierung eines Mathematikers, eines Theoretikers.
Wie wurde sinngemäß formuliert : Er habe Anteil an nicht gefallenen Alliierten wegen der Enigma-Entschlüsselung.
Richtig. Aber im Umkehrschluß eben auch am vielfachen Tod deutscher Marinesoldaten.

Ein Praktiker war General Harris.
"Bomber-Harris", wie er sich gern nennen ließ (der maßgeblich an der Ermordung der Dresdner Zivilbevölkerung und der in der Stadt befindlichen Ost-Flüchtlinge schuldig ist), wurde dafür in den 80er Jahren in England ein monumentales Denkmal gesetzt.
Wohlgemerkt, nicht in der Siegereuphorie des Nachkriegsgeschehens, sondern =gestern=.

Ich könnte an jedem 13. Februar kotzen über die Geschichtsklitterung und selektive Wahrnehmung unserer Öffentlichkeit und Medien...............

Ex-Stubenhocker #34661, 25. Dezember 2013, um 12:22
zuletzt bearbeitet am 25. Dezember 2013, um 12:23

@ mmaker

In Deiner Euphorie ist dir offensichtlich entgangen, dass das Urteil gegen Turing gerade nicht aufgehoben worden ist. Es handelt sich nicht um ein Gerichtsurteil, sondern um eine Begnadigung durch die Queen. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Eine Begnadigung hebt das alte Unrechtsurteil gerade nicht auf. In der Sache verhält es sich daher ähnlich zu dem, was wir gerade unter Putin erleben.

Ob England die Kraft hat, noch zu einer Aufhebung des Unrechtsurteils zu kommen, bezweifele ich. Dann müßten konsequenterweise alle verurteilten Homosexuellen rehabilitiert werden - soweit ich weiß, wurde der entsprechende Straftatbestand in England erst Mitte der 60er Jahre abgeschafft. In diesem Zusammenhang muss sich aber auch Deutschland nicht verstecken. 1957 hat das Bundesverfassungsgericht noch geurteilt, dass Homosexualität sittlich höchst verwerflich ist. Der entsprechende Tatbestand in unserem StGB ist erst 1994 liberalisiert worden.

Fazit: Ein völlig unzureichender Schritt. Die Begnadigung wurde ja auch ausdrücklich vor dem Hintergrund der Verdienste im 2. Weltkrieg und der ungerechten Behandlung ausgesprochen. Homosexualität wurde damals überwiegend als Krankheit verstanden. Turing, der die "Wahl" zwischen Gefängnis und Therapie hatte, entschied sich für das letztere. Schrecklicherweise führte diese Therapie bei Turing zu Bewußtseinsänderungen, die zu Depressionen und Selbstmord führten.

mmaker, 25. Dezember 2013, um 15:20

georgbest: Du hast völlig recht. Aber ein Schritt in die richtige Richtung endlich.

Natürlich kann man sagen, dass das alles nur seiner Person geschuldet ist. Das macht es aber nicht falscher und öffnet immerhin eine Tür einen Spalt weit, in die jetzt ein Fuss hereingesteckt werden muss.

Dass das alles leider viel zu langsam geht, zeigt gerade der Fall Touring in seinem ganzen Ausmass.

Wenn er aber geeignet ist, das Thema zu einem Thema öffentlichen Interesses zu machen, soll mir das Recht sein.

Danke für Deinen Hinweis auf Deutsches "Recht". Genau richtig. Das meine ich genau mit einem Anstoss zum Weiterdenken :)

MM

mmaker, 25. Dezember 2013, um 16:13

Gallier :)

Ich war mir bewusst, dass eine solche Erwiderung kommen könnte - und sie kommt auch mit Recht.

Es wäre schlicht unmenschlich zu behaupten, dass die Millionen unschuldigen Deutschen Opfer irgendwie weniger zählten oder wert wären. Dass ich natürlich nicht alle Deutschen (noch nicht mal die überwältigende Mehrzahl der Deutschen Soldaten) für Kriegsverbrecher halte, ist doch wohl klar; alles andere wäre stumpfe Ideologie.

FAST alle Menschen sind in allen Kriegen der Menschheit immer Opfer gewesen.

Gerade in Bezug auf Dresden fällt es auch mir schwer, in solchen Taten einen Sinn zu sehen, bin aber ehrlich gesagt überfordert damit.

Ich habe grosses Mitleid mit den Deutschen UBoot-Besatzungen, die ab 1943 zu Opfern wurden und deren Einsätze immer mehr zum Himmelfahrtskommando wurden (vor allem wohl durch die Arbeiten in Bletchley Park und die Weiterentwicklung des Radars).

Wie bei vielen meiner Generation war der Film "Das Boot" für mich die erste Gelegenheit, bei der ich sehen konnte, dass es sich da um Menschen handelte, mit denen man sich sehr gut identifizieren konnte. Mein Interesse an diesem Thema blieb immer sehr stark und ich bin regelmäßiger Gast in Marinemuseen (Liebling ist Wilhelmshaven). Wenn ich da in sone Röhre reinklettere, muss ich aber sagen, dass ich das "Leben" dieser Jugendlichen nicht einmal für einen Tag teilen möchte - und das sogar _ohne_ beschossen zu werden....

Trotzdem glaube ich, dass man zwei Punkte nicht abstreiten kann:

1. Auch Dresden hätte es wohl im Endeffekt nichts genutzt, wenn die Deutschen UBoote auch weiterhin Britisch/Amerikanische Konvois wie die Fliegen hätten abschiessen können.

2. Ein Mitleid mit den Deutschen UBoot-Besatzungen wäre wohl fehlgeleitet, wenn man sich daraus resultierend wünschen würde, sie hätten mehr Erfolg gehabt.

Ich ganz persönlich glaube, dass die Arbeiten in Bletchley Park dazu gedient haben, einen schrecklichen Krieg, zu dessen Beendigung mit einer Niederlage Deutschlands es keine Alternative gab, über die man auch nur nachdenken möchte, erheblich zu verkürzen. Und dort liegt für mich das Verdienst.

Das ist alles ganz schrecklich und ganz schrecklich kompliziert aber ich hoffe, ich konnte etwas klarer machen, was ich meine :)

MM

RobyderHund, 25. Dezember 2013, um 23:24

ich glaube, es gibt schlimmeres, als hätte der krieg nur in dresden stattgefunden - merkwürdige ansicht

Ex-Stubenhocker #34661, 25. Dezember 2013, um 23:28

RobyderHund,

Wenn du geschwiegen hättest, wärest du Philosoph geblieben. Oder um mit Nuhr zu sprechen: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die ... halten.

Bine60, 26. Dezember 2013, um 00:48

roby ist stets bemüht...♥

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