Ex-Stubenhocker #186, 28. Oktober 2009, um 00:12
Hallo zusammen,
ich hab in Zusammenhang mit Diskussionen in anderen Skatforen mal ein Problem, zu dem mich die Meinung der - sicher mit großer Mehrheit jungen - Stubenhocker hier interessieren würde.
Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der man sehr viel auf die Wirksamkeit von Gesetzen, Vorschriften und Verboten hielt, d. h. man, also unsere Eltern, z. B. mein Vater. Bei vielen von uns ist sicher während der Jugendzeit eine Einstellung entstanden, die man mit Vorbehalten, geringer Autoritätsgläubigkeit, Relativierung von Vorschriften, Betonung von Toleranz usw. umschreiben kann. Gegen diese ältere Generation habe ich oft mit meiner Denkweise in Diskussionen opponiert. Nun muss ich feststellen, dass die Diskussionsteilnehmer, die vom Alter meine Kinder sein könnten, häufig Argumentationslinien ins Feld bringen, die von meinem Vater stammen könnten, z. B. zur Frage, ob man bei Skatturnieren generell Alkohol verbieten soll.
Meine Fragen nun konkret: Ist die Denkrichtung, bei der Toleranz, leben und leben lassen, relativierendes Betrachten von Regeln und Gesetzen als menschliche und damit fehlerhafte Produkte, Schwerpunkte sind, nur eine Zeiterscheinung gewesen, die vorübergeht?
Wird die unserer Generation oft verhasste Vorschriften- und Autoritätsgläubigkeit unserer Elterngeneration Wiederauferstehung feiern?
Oder seh ich irgendwas falsch?
Mir kommt es manchmal so vor, als wär mein Denken mega-out. Damit kann ich ja klarkommen, bin ja nicht mehr der Jüngste, aber wieso wäre mein Vater mit seinen 91, wenn er noch leben würde, dann mit seinem Denken "mega-in"?
Ex-Stubenhocker #3295, 28. Oktober 2009, um 00:33
Hallo John, ich bin wahrscheinlich genauso einen alten Sack als du. Vereinfacht gesagt liegt es bestimmt daran, dass man sich als Jugendlicher ganz fest vornimmt die Fehler, die die Eltern bei einem in der Erziehung gemacht haben nicht zu machen.
Ich denke es hat auch was mit der Pubertät und der damit verbundene Abnabelung vom Elternhaus zu tun.
Als Elternteil der neue Generation jedoch mache ich wahrscheinlich dann dafür wieder die Fehler, die meine Groß-Eltern an meine Eltern verbrochen haben.
Wie oft habe ich mich selbst schon dabei erwischt insgeheim die Sprüche meine Eltern: z.b. warte mal bis du selbst eigene Kinder hast usw. zu bestätigen nach dem Prinzip verdammt noch mal die Alten hatten ja doch recht.
Und das Ergebnis? Die Sprüche wiederholen sich und die eigene Kids schlängeln sich mit genau den gleichen Argumente wie ich selbst damals verwendet habe raus.
Also mach dir keinen Kopf in einige Jahre bist du bestimmt selbst Opa und dann bist du wieder Mega-in
Schlamassel, 28. Oktober 2009, um 01:00
Grüß dich,
also ich als Teil der 'jüngeren Generation', würde mich auch eher als gewissermaßen konservativ, in dieser Hinsicht, einstufen.
Denn lieber habe ich Gesetze, Vorschriften und Verbote in Maßen, die wiederum ihre Grenzen in unserem formalen und materiellen Rechtsstaat finden, alsdass die Gesellschaft allzu sehr 'aus der Bahn' gerät.
Ich denke nämlich, dass es Gesetze und Vorschriften etc. gibt, um genau das, was du 'leben und leben lassen' sowie Toleranz nennst, zu ermöglichen und zu sichern.
Denn alles muss seine Grenzen spätestens dort finden, wo andere Menschen drohen zu Schaden zu kommen.
Und da es immer und überall, zu allen Zeiten, Menschen gibt, die nicht abschätzen können, wann andere Menschen unfreiwillig in Mitleidenschaft gezogen werden, sind Gesetze, Verbote etc. durchaus angebracht und notwendig.
Natürlich immer im Rahmen des demokratischen Rechtsstaates..
mfg
und Gut Blatt :)
Heine
Ex-Stubenhocker #186, 28. Oktober 2009, um 01:02
Hallo Skatpfeife, erstmal danke für deine Antwort. Mir geht es aber nicht darum, selbst wieder Mega-In zu werden.
Sondern mir geht es darum, dass ich gegen einen Zeitgeist anrede, den ich mal vereinfachend als Glauben an die große Macht von Verboten und Vorschriften als Allheilmittel bezeichne.
Was für eine Schlußfolgerung soll man aus der Tatsache ziehen, dass von der jungen Generationen Argumente bei Diskussionen ins Feld geführt werden, die meinen Vater begeistert hätten?
Kommt hier eine Einstellung zurück, die wir "alten Säcke" überwinden wollten (ich meins nicht politisch!)?
Oder hatten genau wir die falsche Einstellung?
Meine Frau hat übrigens bei einer ganz anderen Thematik festgestellt, dass auch die Emanzipationsbewegung der Frau wieder rückläufig scheint.
Ich hoffe mal, dass mein Anliegen nun richtig rübergekommen ist.
Ex-Stubenhocker #186, 28. Oktober 2009, um 01:06
Hallo Heine, erstmal danke für den Beitrag, hat sich überschnitten!
Ich gehe in den nächsten Tagen auf ihn und hoffentlich weitere dann ein!
Frdl. Gruß und GB
John
Ex-Stubenhocker #3295, 28. Oktober 2009, um 05:18
Und da es immer und überall, zu allen Zeiten, Menschen gibt, die nicht abschätzen können, wann andere Menschen unfreiwillig in Mitleidenschaft gezogen werden, sind Gesetze, Verbote etc. durchaus angebracht und notwendig.
Und genau in einer angemessenen Ahndung und eine wirklich spürbare Durchsetzung dieser eingrenzende Rahmenbedingungen im Falle ihrer Verletzung klafft eine Riesenlücke.
Ein Kind z.b. muss einfach erforschen bis wie weit er gehen kann und darf. Muss sozusagen seine Grenzen erkunden, ausloten und abstecken. Früher war der Ohrwatschel meist der Punkt ihn zu zeigen Stop, deine Grenze ist erreicht, und ein weiteres Überschreiten löst weitere Sanktionen auf dem Fuße aus.
Heutzutage werden durch die Weichheit der Ahnungsmassnahme wahrscheinlich die falsche Signale gesetzt bzw. vermittelt. Sie folgen erstens nicht mehr auf dem Fuße und zweitens wird das Ziel damit Grenzen zu setzen nicht mehr erreicht.
Der Versuch eine humaner Umgang mit Gesetze brechende Jugendlichen an den Tag zu legen und dabei an ihre Einsicht zu appellieren kann man, so meine ich, ruhig als gescheitert betrachten und ist im Grunde genommen inhumaner als alles früher dagewesene.
Ex-Stubenhocker #13443, 28. Oktober 2009, um 06:14
John.... Du darfst nicht vergessen, das Einstellungen auch mit "anerzogen" werden! Viele Kinder, Jugendliche UND auch Erwachsene brauchen (unbewusst) Ihre Grenzen. Und wenn man mit etwas groß wird, es so erlernt bekomm und damit gut zurechtkommt, warum sollten diese aufwachsenden Generationen, nicht diese Einstellungen übernehmen?
Du hast also keineswegs die "falsche" Einstellung, sondern nur eine Andere!
Ich geb ausserdem Skatpfeife Recht, das es nix bringt, nur an ihre Einsicht zu appellieren. Ein alter Löwe kann dem jungen Löwen auch nicht klar machen... Du ich werd langsam alt, laß mich trotzdem noch ein paar Jahre Rudelführer sein! Er muß es sich erkämpfen und dem jungen Löwen dessen Grenzen abstecken! Und genau so isz es bei den Menschen! Du musst Grenzen und Regeln kennzeichnen (egal ob durch Gesetzte, Vorschriften oder anderes)! Allerdings IMMER darauf bedacht, auch bei den Grenzen Toleranzen zu setzen!
Bettek, 28. Oktober 2009, um 08:45
Bei den Tieren gibt es keine Gesetze zur Kindererziehung - bei den Menschen schon. Tiere haben die Möglichkeit - den Jungen durch entsprechende - auch körperliche Härte - ihren Weg aufzuzeigen. Wir Menschen nicht mehr. Bei den Tieren kümmern sich die Eltern um die Erziehung - bei uns Menschen haben die meisten keine Zeit mehr. Die Auswirkungen der antiautoritären Erziehung - gesetzmässig ja geregelt - sieht man heute. Nur mit Worten kann man keine Kinder erziehen - es braucht auch wirksame Strafen. Ich rede nicht von Prügeln - aber ein Sprichwort sagt: ein Klapps auf den Hinterkopf fördert das Denkvermögen. Bei allen anderen Strafen muss man sich überlegen - habe ich die Möglichkeit sie durchzusetzen - sie zu kontrollieren. In vielen Fällen nicht, weil die Zeit - da beide Elternteile ja arbeiten müssen um überhaupt noch einigermassen Leben zu können - fehlt bzw. durch den tägl. kampf mit arbeit und und man auch irgendwo müde ist. Solange die Gesetzgebung hier nicht irgendwelche Türen wieder öffnet - und das ist auch die Meinung vieler Jugendlichen - habe selbst durch meinen Sohn immer wieder Jungs und Mädels im Alter zwischen 17 und 21 hier zum diskutieren - wird sich der momentane Trend zur Gewaltbereitschaft und Respektlosigkeit steigend fortführen.
Meiner Meinung nach ist eine gute Diskussion bei diesem Thema in schriftlicher Form mit mehreren Personen nicht möglich, da teilweise nötige Erklärungen der Gedanken zu seitenlangen Texten führen kann - wird - müsste - sollte - um es den anderen auch richtig verständlich zu machen.
frodophoenix, 28. Oktober 2009, um 09:22
@Wird die unserer Generation oft verhasste Vorschriften- und Autoritätsgläubigkeit unserer Elterngeneration Wiederauferstehung feiern?
Ja.Und nein. Kommt auf die Gruppe an...:-)
Angenommen es stimmt, das wir, wie einige behaupten, andere bestreiten, in der Postmoderne leben, dann trifft dieses zu:
Dies hat gesellschaftliche Konsequenzen: Dienten in der Moderne die Metaerzählungen noch dazu, gesellschaftliche Institutionen, politische Praktiken, Ethik und Denkweisen zu legitimieren, so geht in der Postmoderne dieser Konsens verloren und löst sich auf in eine Vielzahl von nicht miteinander zu vereinbarenden Wahrheits- und Gerechtigkeitsbegriffen. Zugleich nimmt eine tolerante Sensibilität für Unterschiede, Heterogenität und Pluralität zu und damit die Fähigkeit, die Unvereinbarkeit der Sprachspiele zu ertragen.
Ex-Stubenhocker #11478, 28. Oktober 2009, um 10:17
John, meine Erfahrungen mit der jüngeren Generation sind zu differenziert, als dass ich dazu eine pauschale Meinung haben könnte.
Die Leute, die nach einer härteren Gangart verlangen, sehen nicht mehr ein, von anderen, die in der Erziehung so gut wie keine Grenzen aufgezeigt bekamen, ausgenutzt zu werden. Ich beziehe mich dabei mal bewusst auf die Arbeitswelt, weil ich dort hinreichende Erfahrungen mit Vertretern beider Gruppen habe. Geht es hierbei noch um Null-Bock-Mentalität und fehlende Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, so sind die Themen Respektlosigkeit und Gewaltbereitschaft doch um einiges ernster. Könnte es vielleicht daran liegen, dass die Vorbildwirkung der älteren Generation im Laufe der Zeit nachgelassen hat? Aktuelle Beispiele aus Politik und Wirtschaft gibt es leider zuhauf. Ja und die beruflich bedingte Zeitknappheit im Elternhaus hat sicherlich auch einen großen Einfluß, da kann ich Bettek nur beipflichten.
Ex-Stubenhocker #3295, 28. Oktober 2009, um 15:53
Hab ich mal irgendwo gefunden und abgespeichert. Quelle oder Author leider nicht bekannt.
Wenn du nach 1978 geboren wurdest, hat das hier nichts mit dir zu tun ... Verschwinde! Kinder von heute werden in Watte gepackt ...
Wenn du als Kind in den 50er, 60er oder 70er Jahren lebtest, ist es zurückblickend kaum zu glauben, daß wir so lange überleben konnten! Als Kinder saßen wir in Autos ohne Sicherheitsgurte und ohne Airbags. Unsere Bettchen waren angemalt in strahlenden Farben voller Blei und Cadmium.
Die Fläschchen aus der Apotheke konnten wir ohne Schwierigkeiten öffnen, genauso wie die Flasche mit Bleichmittel. Türen und Schränke waren eine ständige Bedrohung für unsere Fingerchen. Auf dem Fahrrad trugen wir nie einen Helm. Wir tranken Wasser aus Wasserhähnen und nicht aus Flaschen.
Wir bauten Wagen aus Seifenkisten und entdeckten während der ersten Fahrt den Hang hinunter, daß wir die Bremsen vergessen hatten. Damit kamen wir nach einigen Unfällen klar. Wir verließen morgens das Haus zum Spielen. Wir blieben den ganzen Tag weg und mußten erst zu Hause sein, wenn die Straßenlaternen angingen. Niemand wußte, wo wir waren, und wir hatten nicht mal ein Handy dabei!
Wir haben uns geschnitten, brachen Knochen und Zähne, und niemand wurde deswegen verklagt. Es waren eben Unfälle. Niemand hatte schuld, außer wir selbst. Keiner fragte nach "Aufsichtspflicht". Kannst du dich noch an "Unfälle" erinnern?
Wir kämpften und schlugen einander manchmal bunt und blau. Damit mußten wir leben, denn es interessierte den Erwachsenen nicht. Wir aßen Kekse, Brot mit Butter dick, tranken sehr viel und wurden trotzdem nicht zu dick.
Wir tranken mit unseren Freunden aus der Flasche und niemand starb an den Folgen. Wir hatten nicht: Playstation, Nintendo 64, X-Box, Videospiele, 64 Fernsehkanäle, Filme auf Video, Surround-Sound, eigene Fernseher, Computer, Internet-Chat-Rooms.
Wir hatten Freunde. Wir gingen einfach raus und trafen sie auf der Straße. Oder wir marschierten einfach zu deren Heim und klingelten. Manchmal brauchten wir gar nicht klingeln und gingen einfach hinein. Ohne Termin und ohne Wissen unserer gegenseitiger Eltern. Keiner brachte uns und keiner holt uns ... Wie war das nur möglich?
Wir dachten uns Spiele aus mit Holzstöcken und Tennisbällen. Außerdem aßen wir Würmer. Und die Prophezeiungen trafen nicht ein: Die Würmer lebten nicht in unseren Mägen für immer weiter, und mit den Stöcken stachen wir nicht besonders viele Augen aus. Beim Straßenfußball durfte nur mitmachen, wer gut war. Wer nicht gut war, mußte lernen, mit Enttäuschungen klarzukommen.
Manche Schüler waren nicht so schlau wie andere. Sie rasselten durch Prüfungen und wiederholten Klassen. Das führte nicht zu emotionalen Elternabenden oder gar zur Änderung der Leistungsbewertung.
Unsere Taten hatten manchmal Konsequenzen. Und keiner konnte sich verstecken. Wenn einer von uns gegen das Gesetz verstoßen hat, war klar, daß die Eltern ihn nicht aus dem Schlamassel heraushauen. Im Gegenteil: Sie waren der gleichen Meinung wie die Polizei! So was!
Unsere Generation hat eine Fülle von innovativen Problemlösern und Erfindern mit Risikobereitschaft hervorgebracht. Wir hatten Freiheit, Mißerfolg, Erfolg und Verantwortung. Mit alldem wußten wir umzugehen.
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Und du gehörst auch dazu. Herzlichen Glückwunsch!
Ex-Stubenhocker #13443, 28. Oktober 2009, um 18:12
Skatpfeife... DAS passt und spricht einem aus dem Herzen!!! Wenn ich die heutige Elterngenerationen sehe... am liebsten dem 10jährigen Kind ein Handy mitgeben, damit es anrufen kann... Heute werden Kinder verhätschelt und verweichlicht erzogen! und was kommt dabei raus? Unselbstständigkeit und Respektlosigkeit und Nulltolleranz... Die Gesellschaft entwickelt sich nicht weiter! Sie entwickelt den Menschen zurück! ...So hab ich manchmal das Gefühl...
sprachlos, 28. Oktober 2009, um 19:03
moin
die alten griechen, haben schon über die jugend geschimft.
die argumente waren die gleichen.
ich glaube eher, das wir probleme mit dem altwerden haben.
und jetzt zur ohrfeige,
mein vater hat mir nie eine gegeben,
und das damit begründet, das er nicht möchte, das ich seine enkel schlage.
und ich denke, da liegt die wahrheit.
ich habe auch 2 kinder, und die tanzen mir auch nicht auf der nase rum.
respekt hat mit nehr orfeige nichts zu tun.
mfg lothar
Kronprinz_Jens, 28. Oktober 2009, um 20:20
Wie heisst es? Der Ton macht die Musik. Sicher schadet ein Klaps auf den A... nicht.Aber was man als Elternteil in den ersten erziehbaren 11 Jahren falsch gemacht hat,bekommt man auch nicht mit einem Klaps in den restlichen lenkbaren Jahren eines Kindes wieder hin.Der Umgang den Kinder pflegen prägt sie sehr stark.
Verbote bringen meist auch nich viel.Da kann es passieren das dich dein eigenes Kind verklagt.z.b. Freiheitsberaubung(Stubenarrest) oder Verweigerung des Rechts auf Information (Fernsehverbot),allerdings hat man,wenn es soweit kommt,sicher schon im Vorfeld gravierende Fehler gemacht.
Aber ich kann meine Meinung nur theoretisch vertreten,da mir die erzieherischen Erfahrungen,zwecks Mangels an eigenen Kindern.Meine Behauptungen fussen ledeglich auf eigene Erfahrungen und Beobachtungen befreundeter Paare.
Ob nun die jüngere Generation(das müsste man mal präzissieren) einen alten Moralkodex für sich entdeckt hat muss ich stark anzweifeln.Den dieses Lager spaltet sich extrem.Es gibt und gab schon immer junge Leute die sich an die Ethikvorstellungen und Gesetze ihrer Generation gehalten haben und es wird in jeder Generation welche geben die dagegen verstossen.
Ex-Stubenhocker #23193, 28. Oktober 2009, um 23:40
zuletzt bearbeitet am 28. Oktober 2009, um 23:48
wohin entwickeln wir uns?
nun, die bisherigen beiträge heben ja sehr stark auf individuelle erziehungsmodelle ab.
das aber ist nur ein aspekt gesellschaftlicher und individueller entwicklung.
diskurstheoretisch betrachtet - @frodophoenix - möchte ich mit folgendem zitat einsteigen:
"die obszönität beginnt, wenn es kein schauspiel, keine szene, kein theater, keine illusion mehr gibt, wenn alles dem kalten und unerbittlichen licht der information und kommunikation ausgesetzt ist.
wir erleben nicht mehr das drama der entfremdung, wir erleben die ekstase der kommunikation."
jean baudrillard
... wie wir recht gut in diesen foren nachlesen können ... ;)
p.s.: habermas sagte mal: was soll ich mich mit der postmoderne beschäftigen, wir haben die moderne nicht ansatzweise begriffen...
Ex-Stubenhocker #186, 29. Oktober 2009, um 10:47
zuletzt bearbeitet am 29. Oktober 2009, um 10:48
wohin entwickelt sich die Diskussion?
Offensichtlich in sehr tiefschürfende Bereiche.
Ich versuch mal, dahin zurück-zukehren, wohin ich eigentlich wollte.
Nehmen wir eine Situation, die durch irgendeine Rechtsnorm (Ordnung, Vorschrift, Verbot, Gebot, Gesetz) abgesichert ist. (Ich verzichte bewusst auf ein Beispiel, damit man sich nicht darauf stürzt und wieder abschweift).
Setzen wir weiter mal voraus, dass die Anwendung dieser Norm in einem konkreten Fall zwar den Buchstaben nach korrekt ist, von allen, die die Norm nicht kennen, jedoch für falsch gehalten wird, dem Rechtsempfinden widerspricht und auf Widerstand stößt. Auch bei denjenigen, die mit der Norm vertraut sind, herrscht die Ansicht vor, dass die Norm bei diesem Einzelfall wohl gemäß Wortlaut angewendet werden muss, dies aber nicht unbedingt sinnvoll sei.
"Gesetz ist Gesetz" "Wo kämen wir hin, wenn wir jeden Einzelfall als solchen behandeln würden?" ist nun die Ansicht, um die es mir geht.
Ich nenne sie "altmodisch" und habe sie jahrzehntelang gehört und bekämpft. Und nun lese ich sie wieder :-((
Alles klar?
Ex-Stubenhocker #3295, 29. Oktober 2009, um 11:19
Wenn dieser Norm oder einzelne Rechtsvorschrift wirklich durch die überwiegende Mehrheit seiner Anwender nicht für Sinnvoll gehalten wird, dann liegt es doch wohl daran, dass die Norm oder Vorschrift nicht richtig ist und entweder geändert oder gestrichen gehört.
Bis sie aber geändert oder gestrichen ist, sollte jeder sich trotzdem, auch wenn es noch so schwer fällt, daran halten, sonst entsteht rechtsunsicherheit.
Ich versuchs trotzdem mal mit einem Beispiel: bei uns wird rechts gefahren. Stell dir vor, die Mehrheit würde aber lieber links fahren und könnte auch genau begründen warum das besser und/oder sicherer wäre. Bis der entsprechende Vorschrift geändert ist und gilt, sollte man aus wohl verständliche Gründe das Rechtsfahrgebot einhalten.
Ex-Stubenhocker #186, 29. Oktober 2009, um 11:30
gilt das auch für das Essen von Restnahrung nach einer Konferenz im Wert von 1 €, die sonst im Abfall landen würde? Beispiele lenken eben ab, dein Beispiel spricht für sich, meines vielleicht auch.
Rechtsunsicherheit? Ist das ein "Unwert"? Ist "Rechtssicherheit" ein grundsätzlich positiver Wert? Ich widerstehe der Versuchung, in der nicht allzu fernen Geschichte herumzukramen, sondern bezweifle nur einmal die positive Bedeutung des Begriffs "Rechtssicherheit". Oder deutlicher: Lieber eine Rechtsunsicherheit als eine Rechtssicherheit mit falschen Werten.
Ex-Stubenhocker #3295, 29. Oktober 2009, um 12:33
Um dein Restnahrungsbeispiel auf zu greifen. Wenn es verboten ist, ist es eben verboten. Und solange man diesen Norm nicht ändert oder streicht weil erkannt ist, dass sie nicht sinnvoll ist, hat man sich auch dran zu halten.
Der einzige Grund die aus meine Sicht dagegen spricht, wäre es wenn Leben oder Tot vom Verstoß gegen die Norm abhängt, oder der Nachweis erbracht werden kann, dass der Norm nur als Vehikel zur Erreichung eines andere Zieles missbraucht wird.
Ex-Stubenhocker #186, 29. Oktober 2009, um 12:53
immerhin etwas; was Leben und Tod anbetrifft, so gibt es ja wenigstens den Begriff "übergesetzlicher Notstand", der eine gewisse Relativierung darstellt. Und die Gefahr des Missbrauches einer Norm besteht ja immer. Dass man aber eine Norm immer zu befolgen hat, egal wie vernünftig, gerecht, sinnvoll sie in der betreffenden Situation ist, nur wegen der Rechtssicherheit, damit tue ich mir schwer.
Regeln sollen Situationen regeln, Regeln sind von Menschen gemacht, Regeln sind damit automatisch der Gefahr ausgesetzt, fehlerhaft zu sein.
Regeln haben den Menschen zu dienen und nicht Menschen den Regeln.
Regeln haben keinen Eigenwert, sie sind Produkte mit einem einzigen Zweck, nämlich im Dienste anderer Werte wie z. B. Gerechtigkeit, Aufrechterhaltung von Ordnung, zu regeln und Chaos zu verhindern. Diese Funktion können aber nur Regeln erfüllen, die "richtig" sind.
Bleibt natürlich das Beurteilungs- problem! Aber was ist schlimmer?
"Falsche" Entscheidungen in Einzelfällen, weil Regeln relativiert werden, oder grundsätzlich etwas geregeltes Falsches?
Ex-Stubenhocker #3295, 29. Oktober 2009, um 14:26
Regeln werden geschaffen, weil der Bedarf etwas regeln zu wollen oder zu müssen vorhanden ist. Ändert sich der Bedarf, gilt es die Regeln den geänderten Bedarf anzupassen oder zu streichen. Bis aber neue Regeln gelten, gelten die Alten.
Kronprinz_Jens, 29. Oktober 2009, um 15:52
Gesetz ist Gesetz und Regel ist Regel.Gesetze und Regeln werden von den meisten Menschen nicht gebrochen,sondern je nach Erforderniss des Jeweiligen werden dessen Grenzen gedehnt.Was unweigerlich zur Konfrontation mit dem Gesetzgeber führt und zu Strafen,je nach Schwere der Ausdehnung.
Ex-Stubenhocker #186, 29. Oktober 2009, um 22:57
Je nach Schwere der Ausdehnung klingt ja schon mal gut. Würde man diesen Satz nicht vergessen, bräuchten wir die ganze Diskussion nicht.
Und wenn Skatpfeife garantieren könnte, dass die Anpassung nicht mehr bedarfsgerechter Regeln so schnell ginge, dass durch die Anwendung dieser nicht mehr bedarfsgerechten Regeln kein größerer Schaden entsteht und Ziele verloren werden, die mindestens so wichtig sind, wie das Ziel, Regeln einzuhalten, könnten wir sie uns auch sparen.
Ex-Stubenhocker #3295, 29. Oktober 2009, um 23:44
Was möchtest du eigentlich erreichen John? Willst du durch Regeln Chaos vermeiden, oder willst du einen geregelten Chaos?
Ex-Stubenhocker #186, 30. Oktober 2009, um 00:14
eine sehr gute Frage! Nur sehe ich etwas mehr Alternativen! Ich will, dass man Regeln nicht mehr als Mittel betrachtet, um Probleme zu lösen, bzw. genauer gesagt, die unreflektierte Anwendung bestehender Regeln als Allheilmittel. Ich glaube auch nicht, dass sofort ein Chaos ausbricht, noch nicht mal angebahnt wird, wenn Regeln in Fällen, wo sie einfach nicht passen, weil sie für diesen Fall zwar den Buchstaben nach, nicht aber ihrem Sinn nach anzuwenden sind, ignoriert werden.
Ich versuchs mal mit einem Beispiel:
Handybenützung in der Schule ist verboten, Strafe Verweis. Gründe sind die Gefahren von Herumschicken von Fotos etc. Durchaus sinnvoll und vernünftig. Nun ruft ein Schüler in der Pause seine Mutter an (Verbot vergessen, ignoriert, wie auch immer).
Mutter liest dann den Verweis.
Sinnvolle Anwendung der Regel oder blinde Regelgläubigkeit mit der Folge, eine sinnvolle Regel selbst ins Lächerliche zu ziehen?
Solche Beispiele könnte ich massenhaft aus allen Bereichen aufzählen. Vielleicht kommt jetzt rüber, worum es mir geht. Letztlich läuft meine These darauf hinaus, dass durch die falsche Anwendung von Regeln erst die Gefahr eines Chaos heraufbeschworen wird, weil Regeln nicht mehr ernstgenommen werden.
Also: Chaosvermeidung durch sinnvolle Regeln und sinnvolle, durchdachte Anwendung dieser.