Ex-Stubenhocker #181383, 24. August 2015, um 17:41
artikel aus dem spiegel 30/2015
ich bekomme sicher wieder einen auf den detz von den rumpöblern, aber ich finde es wichtig.
Seid endlich still
Von Berg, Stefan
Ein Brief an die Menschen in Freital, die keine Flüchtlinge aufnehmen möchten
Von Stefan Berg:
Liebe vergessliche Menschen aus Freital, es ist unangenehm, daran
erinnern zu müssen. Aber es scheint wohl nötig zu sein, jetzt, da ihr
schreit und andere Menschen, die in Not sind und bei euch in Sachsen
Zuflucht suchen, als Pack bezeichnet, sie beschimpft und euch ganz
ungeniert fotografieren lasst mit dem Transparent: KEIN ORT ZUM
FLÜCHTEN.
Es ist unangenehm, aber es muss sein.Wie sah Freital
eigentlich 1989 aus, wie eure Nachbarorte Meißen und Dresden? Es waren
Städte zum Davonlaufen. Sie waren grau, kaputt und scheinbar ohne
Zukunft. Es gibt noch Bilder davon. Wenn ich sie mir ansehe, dann weiß
ich wieder, wie es gerochen hat damals. Meine Zunge ist wieder belegt,
meine Stimmung getrübt. Es ist nicht verkehrt, diese Bilder ab und zu
einmal herauszuholen, aus der Schublade oder dem Gedächtnis. Viele
Menschen sind damals davongelaufen, aus diesen Städten. In den
Schaufenstern der Läden standen manchmal Schilder: Heute keine Ware. Das
war kein Witz.Einige haben ihr Leben riskiert, um abzuhauen. Sie
sind rüber über die Mauer gen Westen oder haben Anträge gestellt,
Ausreiseanträge, und endlos gewartet. Andere sind gen Osten, nach Prag,
auf das Botschaftsgelände der Bundesrepublik Deutschland. Es war eine
Abstimmung mit den Füßen. Die Menschen riefen: Freiheit. Und sie wollten
auch Freiheit. Aber es ging, glaube ich, auch ein bisschen um
Wohlstand. Oder?Sie hatten Glück, sie wurden nicht
zurückgeschickt, nicht abgeschoben, sie mussten keine Anträge zur
Einreise stellen und keine Asylanträge. Sie wurden nicht nur geduldet.
Sie wurden von Menschen als Menschen, von Deutschen als Deutsche
aufgenommen, und ihnen wurde geholfen. Ich erinnere mich nicht, dass
Leute aus Städten, in denen DDR-Flüchtlinge aufgenommen wurden, auf die
Straße gingen und schrien: KEIN PLATZ FÜR OSSIS.Und es ging nicht
allen Westdeutschen glänzend, und manch einer wird gedacht haben: Die
kriegen jetzt alles hinterhergeworfen. Aber ich habe keinen das in die
Kamera rufen hören.Es ist unangenehm, daran erinnern zu müssen,
aber ich darf das, ich stamme auch aus diesem Staat, der zusammenbrach,
so wie heute Staaten zusammenbrechen, aus denen Menschen davonlaufen
oder davonschwimmen. Reisefreiheit haben die Menschen sich 1989
gewünscht, in Freital bestimmt auch. Gemeint war die Freiheit zur
Ausreise. Aber Ausreisefreiheit ohne die Freiheit, woanders einreisen zu
dürfen, ist nicht viel wert. Ihr wolltet die Mauer weghaben. Und jetzt?
Wollt ihr sie wieder zurück?
Als die Mauer aufgerissen wurde, 1989, da gab es Begrüßungsgeld für
jeden. Es gab keine Prüfung, keinen Test. Vielleicht wäre es besser
gewesen, jeder hätte wenigstens einen Satz zur Probe sagen oder
auswendig lernen müssen: Die Würde des Menschen ist unantastbar. So
steht es in unserer Verfassung. Musstet ihr nicht, mussten wir nicht.
Und bestimmt haben damals Leute im Westen gedacht. Begrüßungsgeld? Na,
was denn noch alles für die Ossis. Aber ich habe keinen blöken hören, so
wie ihr jetzt blökt, in eurem Freital, das nun nicht mehr grau ist und
in dem nicht mehr der Putz von den Wänden fällt und wo kein Schild mehr
steht: Heute keine Ware. Habt ihr, die ihr jetzt rumschreit, einmal
nachgedacht, wieso es in eurer Stadt heute so schön ist und in Meißen
und in Dresden, so schön, dass ihr denkt, ihr müsstet da etwas
verteidigen?
Uns wurde geholfen. Anderswo haben Leute für uns verzichtet,
waren bereit, Geld zu geben. Gut, sie wurden auch ein wenig überrumpelt,
gezwungen, sie haben den Solidaritätszuschlag nicht mit Begeisterung
gezahlt, aber sie haben. Und den Länderfinanzausgleich und den
Solidarpakt. Einige im Westen und im Südwesten mosern deshalb, ihnen
reicht es jetzt, aber das Geld fließt weiter. Ich bin immer dagegen, das
alles vorzurechnen oder sich vorrechnen zu lassen. Denn das ist eben
Solidarität, dass einer, der mehr hat, dem abgibt, der weniger hat. Man
macht kein Gewese darum. Niemand konnte etwas dafür, hinter der Mauer
eingesperrt gewesen zu sein. Die Hilfe heute ist auch eine Entschädigung
für das, was gestern war.Man muss dafür nicht jeden Tag Danke sagen. Aber kann man es vergessen?Euch,
die ihr nicht einmal danach fragt, wieso andere Menschen ihr Land
verlassen, ihr Leben riskieren, die ihr so ohne jedes Gefühl zu sein
scheint – euch muss man daran erinnern, was ihr, was wir für ein
verdammtes Glück hatten und haben. Wenn ihr in die Augen der Flüchtlinge
seht, dann müsstet ihr ein wenig wiedererkennen von eurem Leben. Wenn
ihr ihre Geschichten hört, müsste euch einiges wenigstens etwas bekannt
vorkommen. Dabei war das Land, aus dem damals viele wegliefen, die DDR,
ein Paradies gegen Somalia oder Syrien.
Ihr Bürger von Freital, die ihr das nicht vergessen habt, redet
euren Nachbarn ins Gewissen. Zeigt ihnen noch einmal die Bilder, Freital
1989 oder Dresden oder Leipzig 1989. "Kommt die D-Mark nicht hierher,
gehen wir zu ihr", haben viele damals gerufen. Es war eine Drohung. Die
D-Mark kam.
Und ihr, die ihr alles vergessen habt, schaut euch um, in eurer
Stadt, in unserem Land. Und schaut euch an, wie es in Damaskus aussieht
oder in Bagdad. Ruinenstädte, in die der Wohlstand nicht kommen wird
und aus denen die Menschen nun in Richtung Wohlstand fliehen, in der
Hoffnung auf ein Leben ohne das Gedröhn von Panzern, Raketen, Bomben.
Seht euch diese Bilder des Jahres 2015 an, und seid endlich einmal
still. Und dann überlegt, wie es gewesen wäre, hätte man uns und euch so
behandelt, wie ihr jetzt jene behandelt, die nicht mehr wollen als eine
kleine Chance, ihrem beschissenen Elend zu entkommen. ■
Ex-Stubenhocker #157894, 24. August 2015, um 17:52
Im Thread "Fakten und Folgen" auf Seite 28, 13:16 Uhr habe ich auch auf den offenen Brief des Spiegel-Autors kurz hingewiesen. Stefan Berg ist gebürtiger Sachse aus der Umgebung von Freital.
Na, die Reaktionen darauf waren nicht besonders toll. "Sachsen-Bashing" und man müsse alles sehr "differrenziert" sehen, das übliche Geschwafel halt der üblichen Verdächtigen.
Ex-Stubenhocker #157894, 24. August 2015, um 18:12
Der Rechtsaußen vom Dienst !
Die Mittagsschicht freiwillig übernommen ?
Ex-Stubenhocker #181383, 24. August 2015, um 19:11
ich habe das nicht gepostet damit sich hier wieder gegenseitig blöheit unterstellt wird. lasst doch endlich mal diese anmachen. diskutiert sachlich über diese dinge und nicht auf dieser persönlich beleidigenden schiene. kein wunder das kaum jemand noch schreibt....man wird ja immer gleich nieder gemacht. es geht nie um inhalte, sonderen nur noch darum dem anderen weh zu tun....so seid ihr kein stück besser als diese schreihälse da. denkt darüber mal nach.....ach, spart euch mir zu schreiben das ich doof sei, oder sonst irgend eine beleidigung...es reicht langsam.
Kartenvernichter, 24. August 2015, um 19:19
Ach Ploppi....das kannst du hier vergessen
steffekk, 24. August 2015, um 20:16
verstrahlte dummköpfe, am besten man beachtet so was gar nicht
Ex-Stubenhocker #181383, 24. August 2015, um 20:34
wegschauen sollte niemand. schweigen ist ja schon fast zustimmen......zumindest ein dulden dieses stumpfen wahnsinns.
Ex-Stubenhocker #180711, 24. August 2015, um 20:40
jeder sollte - seinen fähigkeiten und möglichkeiten gemäss - gut handeln.
eine tägliche, nicht zu unterschätzende übung.
Ex-Stubenhocker #180711, 24. August 2015, um 20:43
einsabisz:
danke für deinen impuls.
heidi69, 24. August 2015, um 20:48
zuletzt bearbeitet am 24. August 2015, um 20:49
Ich fand diesen Brief sehr gut geschrieben und auch treffend.
Ende
heidi69, 24. August 2015, um 20:57
Mein Vater floh aus Ostpreussen als er 5 war...
Menschen,die Katzen als Dachhasen gegessen haben,teilten das wenige...
im Genensatz dazu lebt hier jeder Hartz IV Empfänger in Saus und Braus.Trotzdem wird den Flüchlingen aus Kriegsgebieten nicht mal ein bischen Freundlichkeit gegönnt....
Ex-Stubenhocker #180711, 24. August 2015, um 21:14
nicht in der vergangenheit.
nicht in der zukunft.
steffekk, 24. August 2015, um 21:24
stimmt Heidi, kann ich verstehen.
wegschauen ist auch falsch, das stimmt ploppi, aber mir kommen dabei gedanken die dem frieden auch nicht sonderlich hilfreich sind.
Ex-Stubenhocker #180711, 24. August 2015, um 21:28
schäme dich nicht deiner gedanken.
Ex-Stubenhocker #181383, 24. August 2015, um 21:31
https://www.youtube.com/watch?v=xjG8Hw4BZPA
passt!
steffekk, 24. August 2015, um 21:35
ich denke halt so -
Plakate : "Flüchtlinge sind hier nicht willkommen" etc.
- extreme Abneigung - nicht mein Volk - sollen sie ihr Leben ohne mich führen.
Ex-Stubenhocker #180711, 24. August 2015, um 21:41
ich empfinde so:
bedürftigen wird geholfen.